Der Ursprung der Klingelkapelle

Eine alte Ansicht der Klingel-Kapelle

von Franz Wieland

Am Südhang des Städtchens Gernsbach,
dort, wo die Klingelkapell’ sich befindet,
da stand in heidnischer Zeit eine Eiche,
wie uns eine uralte Sage noch kündet.
Und unter dem schattigen Dach dieses Baumes
ein dürftiges Rindenhüttlein stand,
worin eine heidnische Priesterin hauste,
im ganzen Tal gar sehr bekannt.

Weithin genoß sie hohe Achtung.
Nichts Wichtiges ohn’ ihren Rat man wagte.
Man wandte an sie sich in allen Nöten,
und außerdem auch noch wahr sie sagte.
Als dann im Murgtal das Christentum siegreich,
die heidnische Priesterin mußte fliehn
und sich, um weiter wirken zu können,
zurück in das Gebirge ziehn.

Ein christlicher Einsiedler zog in die Hütte.
Das Christenkreuz stellte am Eingang er auf,
und, um seinen frommen Lehren zu lauschen,
erschienen die Leute sonntags zu Hauf’.
Da, eines Nachts fuhr auf der Klausner;
ein wimmerndes Klagen er draußen vernahm;
sogleich entzündete er einen Kienspan,
zu sehen, wer noch so spät zu ihm kam.

Auf einem moosigen Steine sitzend,
in einem losen Prachtgewand,
wehklagend, jammernd, tiefaufschluchzend,
ein junges Weib der Klausner fand.
„Ich habe mich verirrt“, so sprach sie,
„und bitt’ um Obdach für die Nacht.
Möcht’ sterben nicht in dieser Wildnis;
bin sonst gewohnt nur Pracht und Macht“.

„O, gerne!“ dienerte der Klausner,
„Dies ist doch Christenpflicht ja nur!
O kommet, wollet mir nur folgen!
Wer hilft, ist auf des Heilands Spur.“
Doch vor dem Kreuze an dem Eingang
er jäh zurück sie schrecken sah,
dann flehte sie, sich an ihn schmiegend:
„Entfernt doch dieses Zeichen da!“

Nun erst betrachtete der Klausner
das schmeichlerische Weib genau,
ward ganz bezaubert von der Schönheit
und von den Reizen dieser Frau.
Versuchung überkam ihn prickelnd,
schon wollte siegen irdische Liebe.
Zum Glück dacht’ er an sein Gelübde,
bat Gott um Rettung vor dem Triebe.

Da hörte er ein himmlisch’ Klingeln;
das stärkte seinen Widerstand,
und, abgeschreckt durch dieses Zeichen,
das trügerische Weib verschwand.
Aufs Knie ließ sich der Klausner nieder
und dankte Gott; denn der es war,
der treulich diesmal ihn behütet
und beistand ihm in der Gefahr.

Dann nach er ging den Klingeltönen.
Im hohlen Eichenstamm er fand
ein Silberglöcklein eifrig bimmelnd;
er staunte an es wie gebannt.
Alsbald erbaute unser Klausner
ein winzig’ Kirchlein an der Stelle.
Dies mehrfach umgebaut dann wurde
und heißt noch heute Klingelkapelle.

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