Eng geschmiegt auf kahlem Berghang dort drei Lärchen einzeln stehen, die von Weisenbach, dem Dörflein, sind besonders gut zu sehen. An Johanni müdgewandert, legt ich mich zu ihren Füßen und fand bald im Abenddämmern tiefen Schlummer, wirklich süßen.
Da! Was war das? Hört ich Raunen? Oder wars nur Windesrauschen? Konnten denn die Bäume reden? Träumend fing ich an zu lauschen. „Hundert Jahr alt sind wir nunmehr“, hört die eine Lärch’ ich sagen, „dürfen drum auch heute sprechen, uns erzählen und auch klagen.“ „Weißt Du noch“, hob an die andre, „wie wir in der Baumschul’ standen, unter vielen andern Bäumchen, die wir alle, alle kannten? Dort wir kleinen Lärchen lebten neben Tannen, Eichen, Buchen, bis der Förster eines Tages kam, um uns herauszusuchen.“ „Hier am Berghang auf der Höhe hat man uns neu eingebettet, wo wir seitdem mußten stehen, wurzelstark wie angekettet. An der sonn’gen Fläche wuchsen Heidelbeeren bald in Mengen, und wir sahen viel Erwachs’ne und viel Kinder sich drum drängen.“ „Als wir meterhoch dann waren, hieb man viele der Gefährten, die als Weihnachtsbäume dienten, wenn die Kinder sie bescherten. So ward’s um uns wieder lichter, ’s wuchsen Himbeer’, Brommelbeeren, die die Menschen eifrig suchten, sie zu Hause zu verzehren.“ „Als wir größer, wählte aus man Holz zu Leitern und zu Stangen, und gar manche Nachbarlärche hat die Todeswund’ empfangen. Ach, gar viele der Genossen nach und nach um uns verschwanden. In die breiten Zwischenräume wieder Sonnenstrahlen brannten.“ „Luft und Licht sie wirkten Wunder, rasch wir wuchsen in die Höhe, und zu unsren Füßen sahen wir oft Wild: Hirsch’ , Füchs’ und Rehe. Vögel bauten ihre Nester gern auf unsre starken Äste. Ach, wie liebt ich das Gezwitscher und Gekrächz’ der muntern Gäste.“
|
„Und erinnerst Du Dich auch noch”, fuhr die Redesel’ge weiter, „wie ein Liebespaar da unten war so ausgelassen heiter! Andre waren wieder ernster, sprachen nur von Lieb und Treue, doch gab’s auch, die sich sehr zankten und sich dann verschwor’n aufs neue.“
„Nun“, begann die dritte Lärche, die bisher sich ausgeschwiegen, „wollen hoffen, daß sie alle hatten recht viel volle Wiegen. ’s war für uns ja äußerst peinlich, all dem still zusehn zu müssen, wo man doch auch nicht von Stein war und auch gern mal mochte küssen.“ „Ich“, fiel ein die Redesel’ge, „lernt auf diese Weise kennen viele von dem Dorf da unten, das sich Weisenbach tut nennen. Sind mir recht ans Herz gewachsen diese biedern fleiß’gen Leute; wurzelstark und bodenständig war’n sie früher schon wie heute.“ „Als wir etwa achtzig Jahre“, unterbrach die erste wieder, „legten dann die Waldarbeiter rasch den ganzen Hochwald nieder, und die mächt’gen Tannenstämme bestes Nutz- und Bauholz gaben; ’s wollen immer wieder Menschen Häuser und auch Möbel haben.“ „Ja, nur wir drei Wetterlärchen einsam hier noch blieben stehen. Nicht mehr lange wird es dauern, bis wir werden auch vergehen. Schon vielleicht der nächste Sturmwind kann rasch unser Leben enden. Doch das ist ja so Bestimmung; niemand kann dies Schicksal wenden.“ Kühle weckte mich vom Schlummer, aufwacht’ ich aus meinem Traume, Geisterstunde war vorüber, still wars rings im weiten Raume. Hört’ kein Raunen mehr noch Sprechen, nur ein leises Windesrauschen. Nein, ich möchte nicht um alles mit den Wetterlärchen tauschen!
|