Der Knorr
von Franz Wieland - 1945
In Weisenbach, wo war der Mumm,
da ging auch noch der Knorr einst um.
Der diente fast dem gleichen Zweck,
wie der bekannte Weiberschreck.
Er hat die Kinder heimgetrieben,
die abends auf der Straße blieben.
Wenn d’Betglock war nur kurz vorbei,
dann kam gesaust er: eins, zwei, drei.
Er hat die Kinder angeknorrt,
daß selbst die schlimmsten sprangen fort,
um ohn’ Verzug nach Haus zu eilen.
’s wollt’ keines mehr im Freien weilen.
Der Knorr glich - meldet uns die Kund’
’nem großen schwarzen Pudelhund.
Vielleicht trieb Scherz ein Schwerenöter
mit einem Fell von so ´nem Köter.
Weil er durch Knurren Angst erregte,
man Knorr ihn dann zu heißen pflegte.
Sprach man von ihm vor den ganz Kleinen,
sie fingen alle an zu weinen.
Gar reichlich flossen ihre Tränen,
tat man den Knorr extra erwähnen.
Es reichte schon, mit Knorr zu drohen,
daß sie entsetzt nach Hause flohen.
So hat der Knorr erfüllt den Zweck
als wunderbarer Kinderschreck.
Es ist wohl noch nicht lange her,
daß außer Kurs gesetzt ward er.
Um die Jahrhundertwende doch
hat scheint’s gewirkt er immer noch.
Auch heut noch wär er manchmal nötig,
doch zeigt er sich nicht mehr erbötig.